Fangen wir mit einem ganz einfachen Beispiel an: Der Zug bleibt plötzlich stehen. Verspätung. Von einem Moment auf den nächsten ist alles anders. Angst steigt auf: Schaff ich meinen Anschluss? Wut meldet sich: Nicht schon wieder! Wieso kriegen sie das nicht hin? Kommt dir das bekannt vor?
Wenn wir aus der Vogelperspektive auf solche Momente schauen, zeigt sich: Wir stoßen auf die Ungewissheit des Lebens. Wir glauben, Kontrolle zu haben – und die Wirklichkeit gibt uns regelmäßig Feedback: „Nein, so läuft das nicht. Lass los…“
Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Konfrontation mit dem Chaos
Beim Zug mag ein tiefer Atemzug helfen – oder die Erfahrung, dass es am Ende ja meistens doch irgendwie klappt. Aber was ist mit den wirklich herausfordernden Situationen, die uns in den letzten Jahren begegnet sind? Eine Pandemie, gesellschaftliche Spannungen, ein Krieg, der näher rückt; Inflation, die Sicherheitspolster schmelzen lässt; Energieengpässe, kalte Wohnungen, Börsenturbulenzen …
Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Und das alles geht nicht spurlos an uns vorbei.

Nächster Halt: Überleben
Angst ist in solchen Momenten eine absolut verständliche, oft hilfreiche Reaktion. Sie macht uns wachsam, hilft uns, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden. Gleichzeitig werden dabei auch alte emotionale – oft kollektive – Muster aktiviert. Viele Menschen geraten in den Überlebensmodus: Sie greifen auf Strategien zurück, die ihnen früher einmal geholfen haben, schwierige Situationen zu überstehen.
Diese Bewältigungsstrategien sind vielfältig – manche suchen Zerstreuung, andere ziehen sich zurück oder stürzen sich in Aktionismus.
Einige flüchten sich in digitale Reizwelten oder Serien-Marathons, um sich für eine Weile von Überforderung abzulenken.
Andere erleben ein Übermaß an Wut und projizieren sie nach außen – etwa auf Mitmenschen, Autoritäten oder anonyme Systeme.
Manche reagieren mit Rückzug und Erschöpfung – oder versuchen, das Chaos mit künstlicher Leichtigkeit zu überdecken.
All das sind zutiefst menschliche Reaktionen. Und oft das Beste, was uns in dem Moment zur Verfügung steht.

Chaosfähigkeit: Mit der Unsicherheit tanzen
Viele dieser Muster sind in unserer Kindheit entstanden, haben sich also über lange Zeit in uns verfestigt. Sie sind unser antrainierter Weg auf schwierige Situationen zu reagieren. Oft haben wir uns diese Muster bei unseren Eltern abgeschaut oder sie sind durch Rebellion gegen unsere Eltern entstanden. Wie auch immer: wir haben es uns damals angewohnt auf eine bestimme Art und Weise zu reagieren, um von unseren Eltern Liebe und/oder Aufmerksamkeit zu bekommen. All das ist völlig normal. Wir sollten uns nicht für diese unbewussten Prägungen verurteilen, denn sie sind einfach die nachvollziehbare Reaktion eines Kindes auf gefährliche/überfordernde Situationen. Dieses Kind verdient unser Mitgefühl.
Wenn wir heute als Erwachsene neue Wege suchen, braucht es nicht immer Therapie – manchmal reicht eine einfache Praxis. Wir dürfen wir uns fragen:
Wie wollen wir heute mit dem Ungewissen umgehen – in unserer eigenen Verantwortung, mit offenem Herzen?
Viele Weisheitstraditionen zeigen in eine ähnliche Richtung: Versöhne dich mit der Wirklichkeit, so wie sie ist. Höre auf, gegen das Leben zu kämpfen – und fange an, mit ihm zu tanzen.
Aber wie?
Vier Dinge, die Chaosfähigkeit stärken können:
1. Bewusstes Innehalten und Atemarbeit
In Momenten der Überforderung bewusst zu atmen, sich selbst wahrzunehmen, ist ein einfacher und kraftvoller erster Schritt. Es hilft, aus der Reaktion in die Beobachtung zu kommen – und den inneren Autopiloten zu unterbrechen. Oder wie es Viktor Frankl umschrieben hat: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

2. Radikale Ehrlichkeit im Miteinander
Wenn wir in einem sicheren Rahmen aussprechen, was wirklich in uns lebendig ist – inklusive Angst, Überforderung oder Hilflosigkeit – entsteht Nähe und Entlastung. Gemeinschaftliches Getragensein macht uns resilienter. Beispielsweise könntest du mit einer dir vertrauten Person einen Angst-Check-in machen: Eine Person schließt die Augen und lässt Ängste aufsteigen und spricht sie aus. Ganz spontan, es können auch kleine Dinge sein, es muss nicht Sinn machen, lass es blubbern…
Die andere Person hört mit zwei Ohren am Herzen zu und bezeugt in Stille, gibt keine Ratschläge und fragt nicht nach.

3. Körperliche Präsenz-Übungen und bewusstes Handeln in kleinen Dosen
Ob durch Tanz, Bewegung, kalte Duschen oder kleine Alltags-Experimente: Der Körper kann ein Schlüssel sein, um Unsicherheit nicht nur „auszuhalten“, sondern als Lebensenergie zu begreifen. Wenn du dich gerade sehr ängstlich und erstarrt fühlst, hilft es oft ein Trommellied zu hören und einfach mal zu schütteln.

4. Verwirre deine Routinen durch neue Herausförderungen
Neue Erfahrungen helfen uns, eingefahrene Muster zu hinterfragen. Das Erleben neuer Möglichkeiten führt schrittweise dazu, dass du dich und die Welt um dich neu erleben kannst. Beginne spielerisch: Bestell mal etwas völlig Ungewohntes, etwa Schlumpfeis statt Vanille.
Danach ist vielleicht etwas Mutigeres dran: konfrontiere dein inneres Bild von Richtig & Falsch. Stell dich für eine Minute mitten in die Fußgängerzone, zerknülle ein Stück Papier und lass es fallen – und bleib dann bei dir. Welche Gefühle tauchen auf? Welche Gedanken? (Kleiner Hinweis: Du darfst es danach natürlich wieder aufheben 😉)

Was das bringt?
Mit der Zeit erleben wir, dass wir nicht untergehen – sondern wachsen. Dass unsere Angst uns wach und fokussiert macht und wir nicht in der Erstarrung verharren müssen. Dass wir im Chaos nicht nur überleben, sondern neue Kompetenzen entfalten können: innere Klarheit, Mitgefühl, Kreativität.
Wir lernen, uns selbst zu halten – und mit dem Leben zu fließen, auch wenn es tobt.
All das sind Impulse. Kleine Wegweiser. Aber: Chaosfähigkeit lässt sich nicht aus Büchern lernen – sie braucht Erleben.
Deshalb lade ich dich ein: Erlebe, was es heißt, im Chaos klar, verbunden und lebendig zu bleiben.
Bist du bereit für eine mutige Reise?
RISE! Dein Sommer mit Tiefe & Lebendigkeit
RISE! ist kein Wohlfühl-Retreat. Es ist ein Erfahrungsraum für alle, die bereit sind, tiefer zu gehen: Mit dem Unbekannten in Kontakt zu kommen, alte Muster zu erkennen – und deine Lebendigkeit freizulegen.
RISE! ist in Liebe konfrontativ und lädt dich ein, aus automatischen Überlebensstrategien auszusteigen.
Du erlebst: Du bist nicht allein – und du bist handlungsfähig.
14. – 21. Juli 2025, Schönsee (Bayern)
Mach dich mit uns auf die Reise.
Nicht, um Chaos zu vermeiden – sondern um ihm mit offenem Herzen zu begegnen.
Denn Leben ist nicht planbar – aber lernbar.
Wie geht es dir mit den Stürmen in der Welt? Wo erlebst du Chaosfähigkeit in deinem Leben, und wo überwiegt die Überforderung? Deine Erfahrungen und Meinung sind wertvoll für uns – hinterlasse uns gerne einen Kommentar!
Für das Pioneers of Change-Team, Kewin Comploi-Taupe
2 Kommentare zu „Chaosfähigkeit: Segeln in rauer See“
Ich vermisse Hemma, ihre lebensnahe, lebensbejahende Ohr am Herz-Klugheit. Für mich hat sie da eine ganz besondere Qualität. Da ich sie nur online erlebe, kann ich mich ganz, ohne Ablenkung, auf das Gehörte einlassen.
liebe Gedanken und Grüße an Hemma, wo immer sie gerade ist.
ohhh ja Birgit, glaub mir, so geht’s uns allen im Team!!!
Wir haben ihr Deinen Kommentar weitergeleitet 🙂
Falls Du auf LinkedIn bist, dort postet sie regelmäßig:
https://www.linkedin.com/in/hemma-r%C3%BCggen/