Innere Ausrichtung – äußere Wirkung
Wir treffen jeden Tag Hunderte Entscheidungen. Was wir essen, wie wir reagieren, wohin wir unsere Energie lenken. Die meisten davon – unbewusst. Aber was wäre, wenn wir diese Momente zurückerobern? Wenn wir bewusst wählen könnten, wer wir in jeder Situation sein wollen?
Meine Erfahrung: Eine klare Intention verändert die Qualität unseres Lebens – und die Kraft unseres Wirkens. Gleichzeitig ist „Intentionen setzen“ weniger Methode als Kunst. Wie gelingt’s im Alltag? Lass uns lernen und gemeinsam forschen. Dieser Text ist ein Startpunkt – ich freue mich auf eure Erfahrungen und Reflexionen in den Kommentaren.
Was Intention wirklich bedeutet (und was nicht)
Eine Intention zu setzen ist nicht dasselbe wie sich etwas zu wünschen („Ich hätte gern mehr Zeit”) oder Vorsätze zu fassen („Ich muss früher aufstehen”).
Intention ist ein inneres Ja: So will ich gerade in der Welt sein.
Der Unterschied zu Zielen:
- Ziel: Was will ich erreichen? → Ergebnis in der Zukunft (z.B. 20 Teilnehmende)
- Intention: Wie will ich sein? → Haltung im Jetzt (z.B. Wir sind einladend und inklusiv)
Eine Intention beschreibt die Qualität meines Handelns – das Wie. Anders als ein Ziel ist sie flexibel und jederzeit verfügbar. Ziele können starr wirken und Rückschritte schnell als Scheitern erscheinen lassen.
Vivian Dittmar („Das innere Navi“) beschreibt Intention als bewusstes Wählen mit einer bestimmten Kraft – einer Kraft, die uns immer wieder ausrichtet. Gemeinsam schaffen Intention und Ziel eine lebendige Balance: Die Intention hält die Ausrichtung, wenn das Ziel sich ändern muss.
Warum Intentionen Hebel für den Wandel sind
Für Menschen, die sich für Veränderung einsetzen, sind Intentionen nicht “Privatsache”, sondern Hebel für Kulturwandel:
Für dich selbst: Intention formt Handeln im Jetzt und hält uns mit dem verbunden, was uns wirklich wichtig ist. Sie hilft, zwischen Reaktion und bewusster Entscheidung zu unterscheiden.
Für das Miteinander: Wenn ich mit der Haltung „erst verstehen, dann antworten” in ein Gespräch gehe, höre ich anders – und werde anders gehört. Intentionen färben Atmosphären und können über Zeit den Stil ganzer Teams prägen.
Für das gemeinsame Wirken: Eine geteilte Ausrichtung kann Entscheidungen klären und vor Aktionismus schützen. So wird kollektive Intention zum kulturellen Fundament: Sie beeinflusst nicht nur, was wir tun, sondern wie wir es tun.
Die Kraft des Loslassens: Der Pfeil der Intention
Für Vivian Dittmar ist Absicht eine nonverbale und aktiv gestaltende Kraft, mit der wir uns auf das ausrichten, was uns wirklich wichtig ist. Und diese Kraft wird in Gang gesetzt durch unsere Entscheidung. Sie lässt sich zwar in Worten formulieren, ihr eigentliches Wirken ist aber auf der Ebene der “inneren Ordnung” – jenseits der Worte.
Dazu passt auch das Zitat vom Bergsteiger William H. Murray über die schottische Himalaya-Expedition:
Solange man sich nicht wirklich verpflichtet, gibt es Zögern, die Möglichkeit, zurückzuweichen – und stets bleibt es ineffektiv. Bei allen Initiativen (und Schöpfungen) gibt es eine grundlegende Wahrheit, deren Unkenntnis unzählige Ideen und großartige Pläne zunichte macht:
In dem Moment, in dem man sich endgültig verpflichtet, bewegt sich auch die Vorsehung. Eine ganze Kette von Ereignissen wird durch diese Entscheidung ausgelöst und bringt einem alle möglichen unerwarteten Begegnungen, Hilfen und materielle Unterstützung – Dinge, die man sich nie hätte vorstellen können.
Das Zitat verbindet unsere eigene Ausrichtung und die Bewegungen der Welt, die dann oft als schicksalshafte Fügungen wahrgenommen werden (“Vorsehung”).
Ein entscheidender Aspekt, den Vivian Dittmar betont: Intentionen sind nicht so “starr” wie Ziele, sondern Energie, die in eine Richtung geschickt wird und wo es auch hilft, wenn wir unsere genauen Vorstellungen loslassen.
Die Pfeil-Metapher:
Stell dir vor, deine Intention ist wie ein Pfeil:
- Du spannst den Bogen bewusst und kraftvoll
- Du zielst klar auf das, was dir wichtig ist
- Dann lässt du los und vertraust darauf, dass der Pfeil sein Ziel findet
So halten wir nicht an der Vorstellung fest, wie genau etwas geschehen soll sondern öffnen uns stattdessen für das, was das Leben uns zeigen möchte – manchmal ist es mehr, als wir uns vorstellen konnten.
Von der Idee zur gelebten Praxis: Verbindlichkeits-Anker
Eine schöne Intention allein reicht nicht. Damit sie Wirkung entfaltet, braucht sie sanfte Verbindlichkeit – eine freundliche Zusage an uns selbst:
🕐 Zeit-Anker
Ein kleines, festes Zeitfenster
Beispiel: Täglich eine Minute morgens beim Kaffee mit deiner Intention verbinden: Was ist meine gesetzte Intention? Wo könnte sie heute wichtig sein?
📍 Ort-Anker
Ein sichtbares Erinnerungszeichen
Beispiel: Eine Karte am Arbeitsplatz, ein Stein in der Hosentasche
👥 Personen-Anker
Eine Person, mit der wir unsere Intention teilen
Beispiel: SMS an eine Kollegin: „Heute ist meine Intention: Zuhören vor Argumentieren”
Wie Absicht praktisch wird: Der Wenn-Dann-Trick
Unser Gehirn liebt Automatismen – und genau das können wir für unsere Intentionen nutzen. Die sogenannte „Wenn-dann“-Methode hilft dabei, Absichten im Alltag konkret umzusetzen. Sie lädt uns ein, typische Situationen im Voraus zu durchdenken und mit einem passenden Handlungsimpuls zu verknüpfen. So wird aus einer allgemeinen Intention wie Offenheit oder Zuhören ein konkretes Verhalten im Moment.
Beispiele:
→ Wenn ich merke, dass ich innerlich schneller werde, dann senke ich die Schultern und atme aus.
→ Wenn jemand spricht, dann lege ich das Handy weg und halte Blickkontakt.
→ Wenn eine schwierige Entscheidung ansteht, dann frage ich mich: „Was würde Mut hier bedeuten?“
Solche vorbereiteten Handlungsschritte machen es leichter, auch in stressigen Momenten bei sich zu bleiben – weil wir nicht erst lange überlegen müssen, sondern schon wissen, wie wir handeln wollen.
Dein Praxis-Experiment: vier Schritte
Der Herbst ist die ideale Zeit für bewusste Neuausrichtung. Hier ist deine Einladung:
Schritt 1: Wähle eine Leit-Intention für die nächste Zeit
Beispiele: Klarheit, Verbindung, Leichtigkeit, Mut, Dankbarkeit
Schritt 2: Formuliere für jede Leit-Intention einen Wenn-Dann-Satz dazu
„Wenn _____, dann _____”
Schritt 3: Etabliere einen Verbindlichkeits-Anker
Zeit, Ort oder Mensch
Schritt 4: Teile deine Erfahrung
Kommentiere gerne unten: Mit welcher Intention gehst du in die nächste Zeit?
Für mich persönlich heißt das zum Beispiel für den Herbst: Ich hüte meine innere Weite. Und wenn ich mitkriege, dass ich eng und „schnell schnell“ werde, dann will ich innehalten und schauen, was gerade wirklich wichtig ist. Und ich bitte mein Team, mich dabei zu unterstützen und mich zu erinnern, wenn ich mich anspanne.
Mein Fazit: Der Bogen bleibt leicht, das Geländer hält mich auf Spur
Wir spannen bewusst, zielen klar – und lassen los. Eine Leit-Absicht, eine kleine Zusage, ein einfacher Wenn–Dann-Satz. Der Pfeil fliegt; wir bleiben wach für das, was sich zeigt.
Und vielleicht ist eine andere Metapher noch hilfreicher als der Pfeil: das Geländer. Eine Intention kann auch wie ein stützendes Geländer an unserer Seite sein: unscheinbar, aber uns halt gebend auf anspruchsvollen Wegen. Die Leit-Intention gibt uns Richtung, und im Alltag hilft vor allem, wenn wir zusätzlich kleine, klare Wenn-dann-Schritte formulieren und uns um Verbindlichkeits-Anker kümmern
Und du – was funktioniert für dich?
Welche kleinen Rituale, Sätze oder Anker helfen dir, Intention im Alltag (oder im Team) zu leben? Teile deine Erfahrungen und Reflexionen gern in den Kommentaren.
WORKSHOP 11.09.
Die Kraft der Intention – Wie Ausrichtung unser Miteinander verändert
In diesem interaktiven Workshop mit Pia Rox und Anna Baumgart wird gemeinsam die Kraft der Intention erkundet, für die Arbeit mit Gruppen, das Wirken in Teams und den eigenen Weg.
16 Gedanken zu „Leben mit Absicht – Intentionen setzen ist eine Kunst “
Deinen Blogartikel zu lesen tut mir gerade sehr gut. Vielen Dank für die Anregung, mich bewusst auf die Herbstenergie auszurichten.
Ich spüre da oft am Morgen beim ersten Kaffee in Stille in mich hinein, lausche, was von innen kommt als Impuls für den Tag. Dann schreibe ich – schafft mir Klarheit – und gehe mit meiner Trommel durch den Raum. Sozusagen versprühe ich damit meine Intention in die Welt.
Von Herzen Danke für die vielen guten Worte von dir und euch! Birgitta
Meine Intention ist “verbunden unterwegs sein”. Mehr dazu mit folgendem Link: https://zeitpunkt.ch/index.php/verbunden-unterwegs-sein.
….wow, Danke, lieber Martin….Deine Anleitung schenkt mir neben Orientierung auch mehr Raum für Regeneration…..das fühlt sich entlastend an und ich merke, wie ich ruhiger zu atmen beginne…..entschleunige und einen klareren Fokus erkennen kann….das gibt mir Halt…..
Von Herzen alles Liebe zu Dir, Deinem großartigen Team und in die Runde zu Euch allen hier,
Dagmar
Ich bin gerade sehr berührt und dankbar für den Newsletter von “pioneersofchange” heute mit den guten Zitaten von Richard Norton und Bergsteiger William H. Murray, den so treffend formulierten Gedanken zur Intention, die genau zu meinen inneren Fragestellungen, in meine Situation passen. Herzlichen Dank dafür!
Ziele setzen und sie erfüllen müssen, das hat mich beinahe an den Rand gebracht. Deshalb bevorzuge ich heute die Kunst von Absicht und Ausrichtung. Und bei der Entscheidungsfindung wähle ich mittlerweile Vertrauen statt Mut. Das ist auch meine Leit-Intention für die nächste Zeit, was auch eine Herausforderung bedeuten kann. Konkret bedeutet das, “gute Worte in die Welt bringen, um meine Schwestern und Brüder zu stärken und zu erfreuen”. – Danke Martin, für diesen wertvollen Blog und das Praxis-Experiment.
stay curious
be kind
spread love
Danke für den Impuls!
Ich frage, was wäre, wenn die Überschrift lautete: “Leben ohne Absicht – keine Intentionen setzen ist eine Kunst”?
Vielleicht könnten wir dann entspannen…
Vielleicht könnten wir dann mehr akzeptieren….
Vielleicht könnten wir dann das Leben mehr so erleben wie es ist….
Vielleicht stehen ja gerade die ständigen Absichten und Intentionen im Weg und machen diesen Weg holprig und beschwerlich. Dann würde eben beispielsweise keine Himalaya-Expedition stattfinden….
Vielleicht….
Ja, das hätte mich auch weniger gestresst! Intentionen setzen… uff, wieder was, was ich tun muss, was ich nicht gut kann 😥 Ich möchte mich der Führung anvertrauen! Aber vielleicht ist das ja auch schon eine Intention 😊
In Deinem Blog Beitrag, Martin, spricht mich besonders die Wenn-Dann-Hilfe an. Für mich ist es mehr als ein ‚Trick‘. Denn schon das Herausfinden, welche Wenn-Dann-Formulierung für mich eine passende Konkretisierung sein könnte, ist ja schon beinahe der halbe Weg. Deine drei Beispiele helfen mir jetzt schon sehr. Und meine Intention ist das Verbinden vom Zuhören (dem Anderen) mit dem Hören und Spüren dessen, was in mir dadurch resoniert. Doppeltes Zuhören in seiner Wechselwirkung also. In vielen Deiner Gespräche mit Deinen Gästen finde ich dazu sehr schöne Beispiele, Martin. Dank dafür🙏.
Und für Dich selber wünsche ich Dir, dass Du diese innere Ruhe vom Sommer in den Herbst mitnimmst.
🙋♂️Reinhard
Lieber Martin et al, ganz wunderbar und sehr passend und so schön differenziert in Worte gefasst. Auch für mich sind Ziele nicht so verlockend wie die Kraft der Intention, der Absicht(serklärung) und habe gerade, da ich mein Essverhalten (leider mal wieder) aus dem Ruder gelaufen ist, ganz klar für mich in Worte gefasst, ich esse gesund. “Wenn ich esse, esse ich gesund!” Auch der Zusammenhang zur Vorsehung und der Segnung aus dem ALL zur Intention, ich richte mich aus und alles fügt sich zur Absicht… Tolles Thema und DANKE!
Dieser Artikel hat mir sehr geholfen, meine Intentionen bewusster zu gestalten. Die Anker und der Wenn-Dann-Trick sind tolle Werkzeuge, um im Alltag zu bleiben. Vielen Dank für diese wertvollen Impulse! #Intention #Selbst Coaching
Waltraud Theil
10 September 11.37 Uhr
Lieber Martin, danke für diesen wunderbaren Blockartikel. Er hat mich voll erwischt, zutiefst in mir.
In welcher Haltung will ich leben? Nun, ich will mir treu bleiben mit einem weiten und offenen Herzen,
das barmherzig, mitfühlend und wertschätzend ist. Auch das wirkliche Zuhören hat einen großen Stellwert für mich.
Vor allem aber möchte ich im gegenwärtigen Augenblick ganz da sein. Und wenn ich herausfalle, gibt es für mich eine Hilfe, die mir Bruder David Steindl-Rast gelehrt hat: stop – look – go ….
Danke für diesen wunderbaren Anstoß, immer wieder neu beginnen zu können. Waltraud
Ziele und Intentionen setzten, üben eine Anziehung auf mich aus und fallen mir gleichzeitig auch schwer. Über eine anfangs widerwillig ausgeführte und langjährig ausgeübte Arbeit in Selbständigkeit habe ich während des Tuns herausgefunden, dass das einzig wirklich Bedeutungsvolle in meinem Leben ist, w i e ich mit mir selbst umgehe – diese Einsicht erlaubt mir augenblicklich gütig mit mir selbst zu sein und das Geschehende in seiner Gesamtheit zu erfassen; dabei scheinen Ziel und Intention nebensächlich zu werden.
Lieber Martin,
danke für deinen Impuls!
Mit einem Neugeborenen im Arm ist das Leben plötzlich wieder sehr intensiv geworden und jeder Augenblick hat eine neue Bedeutung bekommen. Im Herbst möchte ich mich gern einer neuen Klarheit in all dieser Intensität widmen.
Wenn ein Gedanke in mir aufsteigt, dann halte ich inne und überprüfe ihn auf seine mögliche Bedeutung für meinen weiteren Weg.
Wenn ich eine Entscheidung zu treffen haben, dann atme ich erst bewusst tief durch, nehme Kontakt zu meiner inneren Weisheit auf und finde dann klar und leicht zu einer Entscheidung.
Ich verstärke diese Klarheit, indem ich solche Gedanken und Entscheidungen schriftlich festhalte.
Alles Liebe euch allen und einen kraftvollen Herbst voll stärkender Intentionen
Jutta
Ich beziehe mich auf die Kommentare von Christoph und Brigitte B. vom 7.9.25:
Ja, genau, das ist es eben auch: das Loslassen, das Geschehen-Lassen, die Akzeptanz dessen, was ist.
Die “Geschichte” oder Methodik mit der Intention birgt, wie fast alles, auch seine Gefahren: Mit dem Mittel der Intention “So will ich sein” könnten wir auch wie so oft in unserer Gesellschaft der Selbstoptimierung und des Erfolg-Habens üblich, geleitet sein von dem Slogan “Ich schaffe mir die Welt, so wie sie mir gefällt”, auf genau die Ebene rutschen, die wir eigentlich nicht beabsichtigen. Daher geht darum zu differenzieren, um dieses Aus-Balancieren zwischen Absicht, nämlich den Pfeil abschicken und des Nicht-Absenden des Pfeils. Das bedeutet eben auch inne zu halten, still zu werden, alles zu lassen und zulassen und auch dass keine Kraft eingesetzt wird. Keine Anker, kein Tun, keine Intention, stattdessen lauschen, empfangen oder einfach nur leer werden für ein Kommendes, das keine Intention in sich trägt. Aber auch der Weg ist Intention ist wichtig und richtig. Beides gilt.. Wir leben in Polaritäten, haben sie in uns, wägen ab, halten sie in Balance und nutzen sie für innere und äußere Integration. Das erfordert Schulung des Feingefühls, des Immer-Wieder-Findens der inneren Mitte und der Offenheit für Gegensätze.
Danke für diesen wertvollen Blogbeitrag, lieber Martin!
Ich komme gerade aus dem work-shop mit Pia und Anna “Die Kraft der Intention”. Mein Gedankenstrom wurde hiervon angeregt.
Liebe das wollen vor dem tun?
Gleichmut ist hier angebracht!
Intention und rein funktionalisierter Interessen- oder purpose -FOCUS, halte ich für falsch erklärt.
… mit 4-Schritt Anleitungen, Ankern und Kühen die eines lernen …hat das nichts mit dem zu tun, wovon hier eigentl. intentional, mit Loslassen gesprochen wird.
Bitte inDoktriniert mal fallen lassen… und dann sehen, was hier wahrhaft sein möchte.
Keine Hexenprüfung, sondern der richtige Mensch am richtigen Ort sein, ist es glaub’ ich eher.
Danke für die Klarheit.