Vom „Safe Space“ zum „Brave Space“

Ein Schlüssel für die Kraft des WIR

Wir durchleben in der heutigen Zeit nicht nur eine Corona- sondern auch eine Kommunikationskrise. Wie aufgeheizt und polarisiert die Stimmung ist, hat uns zuletzt die Aktion #allesdichtmachen sehr deutlich vor Augen geführt.

Die Lagerbildung schreitet voran.

Im Internet ist die Stimmung schnell gereizt. In Zeiten, in denen persönliche Begegnungen nicht möglich sind, werden Facebook-Posts seziert, Verbindungen aufgrund von Whatsapp-Nachrichten oder Instagram-Stories gekappt.

Auf vielen Ebenen entstand Spaltung und Entfremdung. Auch in der vielfältigen Wandel-Bewegung und oft sogar im Kleinen – in Familien, in Freundeskreisen. Ganz schön heftig, oder?

Bist du dieses Hick-Hack auch langsam Leid?

Sehnst du dich nach mehr Verständnis und Miteinander? Vielleicht sogar im realen Leben? 😉

Wo wir einander wirklich tief zuhören, wo Befindlichkeiten und Meinungen geteilt werden können, ohne dass wir uns gleich gegenseitig in Schubladen stecken?

Wo wir unterschiedliche Perspektiven nebeneinander stehen lassen können? Wio wir die Weisheiten dahinter integrieren und dann gemeinsam „Lösungen höherer Ordnung“ entwickeln können?

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Wir brauchen unsere Vielfältigkeit!

Der Soziologe Harald Welzer schreibt in seinem Buch „Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand“:

„Soziale Bewegungen werden dann mächtig, wenn ihre Träger nicht aus Subkulturen kommen, sondern aus allen gesellschaftlichen Gruppen … Dann potenzieren sich die Kräfte, weil das, was die einen tun, von den anderen gefördert werden kann …“

Für die vielen großen Herausforderungen, die wir heute zu meistern haben – viel größer noch als die Corona-Pandemie – braucht es die Integration von Menschen mit sehr diversen Hintergründen und ganz unterschiedlichen Sichtweisen.

Damit die Wandel-Bewegung „mächtig“ wird und „die Kräfte potenziert“, müssen wir also lernen, von destruktiven Ego-Dynamiken in ein neues WIR zu kommen.

Aber wie können wir die ungenutzten Potenziale unserer Unterschiedlichkeit entfesseln, sodass wir schließlich zu kokreativen Lösungen kommen können?

Safe Spaces: Sichere Räume schaffen

Ein wichtiger Schlüssel dazu ist aus unserer Sicht, Räume zu schaffen, in denen alles nebeneinander sein darf, alle Positionen, alle Emotionen.

Virginia Satir, Pionierin der Familientherapie sagt:

„Ich glaube, das größte Geschenk, das ich von jemandem bekommen kann, ist, dass er mich sieht, mir zuhört, mich versteht und mich berührt. Das größte Geschenk, das ich einem anderen Menschen machen kann, ist, ihn zu sehen, ihm zuzuhören, ihn zu verstehen und ihn zu berühren. Wenn das gelingt, habe ich das Gefühl, dass wir uns wirklich begegnet sind.“

Klingt ja einfach. Aber wie gelingt uns das wirklich?

„Nichts von Bedeutung wurde je alleine erreicht.“ – John C. Maxwell

Wir brauchen einen Kulturwandel in der Kommunikation!

… eine andere Haltung, die sich schließlich in einer anderen Kommunikationspraxis ausdrückt.

Wir bekommen dazu immer wieder gespiegelt, dass Menschen hier eine besondere Qualität in der Pioneers of Change Community wahrnehmen. In vielen unserer Räume üben wir uns darin, eine solche Haltung zu kultivieren.Wir praktizieren und verfeinern dies beispielsweise in unserem Kurs “Hosting und Kulturwandel”.

Kürzlich hat uns ein junger Teilnehmer nach dem Einstimmungs -Call von „Leaders of Tomorrow“ rückmeldet:

“Es hat sich wie eine andere Welt angefühlt. Niemand hat geurteilt, jeder konnte wirklich das teilen, was er denkt und fühlt. Es war eine unfassbare Wärme zu spüren. Ich wünschte, mit dieser Einstellung würden alle Menschen durch die Straßen laufen.”

Was wohl möglich wäre, wenn alle Menschen sich so zeigen würden, einander verständnisvoll mitfühlend und gegenseitig den Raum haltend?

Fünf Kernpraktiken für “Safe Spaces”

Wenn wir auf unsere Kommunikationsmuster bei Pioneers of Change schauen, können wir fünf Kernpraktiken als Empfehlungen beschreiben:

  • Zuhören, um zu verstehen: Höre einfühlsam zu, um zu verstehen, statt zu korrigieren, zu argumentieren, zu widersprechen, zuzustimmen oder abzuraten. Höre aus einer Position des Lernens heraus zu, anstatt aus einer Position des Wissens.
  • Aus dem Herzen sprechen: Rede offen, aus deiner Erfahrung, aus dem Moment und deiner Bewegtheit heraus – nicht um die Stille zu füllen. Sprich für dich statt für andere, und trage bei zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses.
  • Gewissheiten in den Hintergrund treten lassen: Halte das Bedürfnis zurück, recht zu haben oder die richtige Antwort, Position oder Lösung zu besitzen.
  • Raum für Unterschiedlichkeit halten: Nimm unterschiedliche Standpunkte als Chance zum Lernen wahr und sei neugierig, was dahintersteht.
  • Die Konversation verlangsamen: Nimm dir Zeit für wirklichen Kontakt. Heiße die Stille willkommen zur Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses.

So entstehen Vertrauensräume für tiefere Kommunikation, wie sie auch Otto Scharmer mit seinen vier Ebenen des Zuhörens beschreibt (siehe Teil 2 unseres Blog-Beitrags zu „Brücken Bauen in Zeiten von Corona“).

„Wenn wir unsere Herzen öffnen, werden wir auch offene Herzen finden – das beruht immer auf Gegenseitigkeit.“ – Abt Leo von Rudloff

„Safe Spaces“ sind die nährende Basis für „Brave Spaces“

Hierzu hat Joana Breidenbach, Gründerin der Spendenplattform betterplace.org und Autorin des Buchs “New Work Needs Inner Work” einen sehr interessanten Gedanken geteilt. Bei unserem INSPIRAthon zum Thema Kokreation im Jahr 2019 sagte sie sinngemäß:

“Wenn wir Safe Spaces – also Räume, in denen alles geteilt werden darf – etabliert haben und Menschen wirklich spüren, dass sie sich in Safe Spaces befinden, dann können sie sich zu ‚Brave Spaces‘ erweitern, also zu Räumen, in denen ich immer mehr wage, meine Gedanken offen zu teilen und so Prozesse in Gang kommen, die schließlich zu echten Innovationen führen können.”

Wenn du also jemandem – und sei es auch nur für einen klitzekleinen Zeitraum – deine ungeteilte, bedingungslose und mitfühlende Aufmerksamkeit schenkst – ganz ohne zu urteilen – dann kann dies möglicherweise genau das sein, was dieser Menschen braucht, um in seinem Leben noch mehr zu wagen.

Und du?

Inwiefern kannst DU ganz konkret anderen Menschen dieses Geschenk machen?

Was wird aus deiner Sicht möglich, wenn wir diese Haltung immer mehr in unserem jeweiligen Umfeld einfließen lassen?

Wir freuen uns sehr über deine Impulse dazu. Bitte hinterlasse sie unterhalb in einem Kommentar!

Portraitfoto von Stephanie

Martin Kirchner ist Mitgründer der Pioneers of Change in Österreich

Stephanie Ristig-Bresser ist Autorin vom Buch Make. World. Wonder und im Redaktionsteam von Pioneers of Change aktuell zuständig für Facebook.