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Mitmachen.

Beispielhaft: Neulengbach feiert.
Als eine von 100 Mitmach-Regionen.

In Neulengbach und an 99 weiteren Orten im deutschsprachigen Raum entfaltet sich das Projekt „100 Mitmach-Regionen“. Ein begeisterter Bericht von Stephanie Ristig-Bresser – als Anregung für deine Region?

Es ist Donnerstag, der 1. Juni., als ich morgens zu einer Reise aufbreche. Mich begleiten Sorgen: Gerade haben repräsentative Umfragen ergeben, dass in Deutschland die AfD, die Partei der Rechtspopulisten, von denen ein Mensch sogar offiziell „Faschist“ genannt werden darf, bei 18 Prozent liegt – also sogar vor den Grünen. In dem Land, in das ich heute reise, könnte es noch ärger kommen: Trotz Parteispendenskandal und Ibiza-Video liegt die rechtspopulistische FPÖ in Umfragen derzeit bei knapp 30 Prozent.

Dieser mögliche Rechtsruck, der in anderen europäischen Ländern längst schon wirklich vollzogen ist, macht mich betroffen. Ich habe keine Idee, was dagegen zu tun wäre. Diese vielen frustrierten Menschen, ich wüsste nicht, wie „man“ sie noch erreichen könnte.

Eigentlich ein fröhlicher Anlass…

Doch eigentlich reise ich zu gerade zu einem fröhlichen Anlass nach Österreich: Helmut Wieser veranstaltet mit seinem Team von der Mitmach-Region Neulengbach (in der Nähe von St. Pölten und eine knappe Auto-/Zugstunde von Wien gelegen) am kommenden Samstag ein Mitmach-Festival und dies einleitend darf ich am morgigen Freitag am BORG Neuglengbach (Bundesoberstufenrealgymnasium) einen Workshop geben.

Die Mitmach-Region Neulengbach ist eine von „100 Mitmach-Regionen“ – einem Projekt, das die Pioneers of Change, gemeinsam mit der Schweisfurth Stiftung, wirundjetzt e.V. und der Be the Change-Stiftung für kulturellen Wandel ins Leben gerufen haben. Ihr Thema: Menschen finden sich in Teams zusammen und setzen sich aus Eigeninitiative heraus mit den drängenden ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit auseinander und entwickeln lokal bei sich vor Ort Lösungsansätze – mit Mitmachkonferenzen und in weiteren ähnlichen Formaten (mehr dazu HIER).

Und genau das passiert in Neulengbach in den kommenden Tagen. Also wirklich ein Grund zur Freude! Doch meine Zweifel reisen mit.   

Aus der Nachdenklichkeit ins Mitmachen 

Szenenwechsel. Es ist Samstag, der 3. Juni am frühen Abend. Das Mitmach-Festival in Neulengbach  ist in vollem Gange. Das Wetter ist bestens, die Stimmung heiter, entspannt, bei einigen nahezu ausgelassen. Sie tanzen zu den Songs der Bluesband Missis Sippi, die gerade aufspielt. Mitten auf der Straße. Denn der Stadtkern rund um das Rathaus ist heute für den Autoverkehr gesperrt. Ein Teil der Straße ist von Ständen bevölkert; vorhin haben einige Kinder gemeinsam mit dem Vizebürgermeister im Tor eine Partie Fußball gespielt. 

Ein Tag vieler Vielfalt und Gemeinschaft 

Die Mitmachsuppe, die Barbara mit ein paar Mitschnippelnden zubereitet hat, hat lecker geschmeckt. Getränke lagern immer in ausreichender Menge im Lamplbrunnen, der heute zum Ort des bedingungslosen Wohlwollens umfunktioniert wurde. Jede:r bezahlt dafür den Betrag, den er oder sie sich gerade leisten kann.

Als Nachtisch mundete das leckere Eis von Enver (von der Gelateria Mondi), der zur Feier des Tages eine Eiskugel obendrauf spendierte. Bei der Sitzecke samt riesiger Couch und Wohnzimmer-Palme, die das Team heute Morgen einfach auf der Straße drappiert hat, reicht zudem gerade jemand selbstgemachte Erdbeerbowle. 

Das Mitmach-Festival mit einem Platzkonzert mit einer traditionellen Blaskapelle zu starten, hatte schon was. Dass auch die Kunstaktion mit Sesseln so wunderbar geklappt hat, hat viele überrascht. Denn es war unklar, ob sich wohl genügend verrückte Menschen finden würden, die selbst einen Sessel mitbringen, damit die Aktion gelingen kann. Doch als noch später die international renommierte Straßentheater-Crew Irrwisch hunderte Menschen auf die Straße lockt und begeistert, ist glasklar: Hier ist weit mehr als nur die Nachhaltigkeits-Bubble versammelt.  

Mehr als ein normales Straßenfest? Wo ist die Nachhaltigkeit?

Straßen-Theater? Sesselkunst? Ballspiel? Platz des bedingungslosen Wohlwollens? Das ist alles ganz nett. Doch diese Aktionen könnte es ja auch bei einem beliebigen Stadtfest geben. Zugegeben, das stimmt. Und doch schwingt beim Mitmach-Festival ein anderer Zungenschlag: Bei einem „normalen Straßenfest würde die Straße nicht in der Form gekapert – und auch das Thema Nachhaltigkeit wäre bei einem herkömmlichen Stadtfest kein Thema.

Hier schwingt es in dezenter Form immer mit – ohne es groß zu formulieren: Veganes Essen mit Zutaten direkt vom Feld, Barrierefreiheit und Bedingungslosigkeit, so dass jede:r sich willkommen fühlen kann – ob mit oder ohne Geld. Vor allem ist hier eines zu spüren: allenthalben Freundlichkeit. Gemeinschaftsgefühl. Freude am gemeinsamen Tun und Ausprobieren. Jede:r wo und wie er oder sie kann. 

Raus aus der Bubble und viele weitere offene Türen 

Das „Raus aus der Bubble“ ist Helmut Wieser und seinem Team von der Mitmach-Region Neulengbach damit tatsächlich gelungen – und nicht nur das: Auch bei der Managerin der LEADER-Region Christina Gassner sowie den beiden Bürgermeistern Jürgen Rummel und Paul Mühlbauer von Neulengbach wird die Tür für das Mitmach-Regionsteam zukünftig offenstehen, denn Bürgermeister Jürgen Rummel ist sich nach dem Mitmach-Festival sicher:

„Für die Gemeinden bringen die Mitmach-Regionen einen Mehrwert, weil sie die Bürger mit einbinden und Bürgerbeteiligung leben.“ 

Nicht nur Neulengbach ist Mitmach-Region

So steige ich am Sonntag früh ganz beseelt in den Zug zurück nach Deutschland. Und voller Hoffnung, Zuversicht und mit der Ahnung: Mit solch kreativen Aktionen könnten wir Populist:innen jeglicher Couleur trotzen – ganz konkret direkt bei uns vor Ort.

So schaue ich während der Fahrt einen der letzten Calls der Mitmach-Region an, bei der einige weitere Teams von ihren Konferenzen berichten. Und während ich schaue, wird mir bewusst: Ähnliche Aktionen wie in Neulengbach gibt es so viele – noch viel mehr als die nahezu 100 Mitmach-Regionen, die derzeit ähnliche Aktionen wie in Neulengbach veranstalten.

Doch bleiben wir mal bei den 100 Mitmach-Regionen. Hier einmal zwei Beispiele von weiteren Mitmach-Konferenzen, die in den vergangenen Wochen stattgefunden haben, und zeigen, wie vielfältig sie sich gestalten können:

  • Die Mitmach-Region Schwäbische Alb veranstaltete eine Mitmach-Werkstatt, die mit drei  Impulsvorträgen zu „Gemeinschaftlichem Wohnen“ vom einem Referenten vom Mietshaussyndikat, zu „nachhaltige Mobilität und einem Impulsvortrag zu virtuellen Welten startete. Anschließend gab es Thementische zu Solidarischer Landwirtschaft, einem Themenmobil und einer Rausschule, die Kindern nachhaltige Landwirtschaft nahebringen mag.
     
  • In der Mitmach-Region Piestingtal im Wiener Wald treiben die Organisator:innen rund um Ruth das Projekt Mitfahrbänke voran. Außerdem entwickelt sich gerade die Idee einer „Sommerakademie für Pecherei“. Zudem gibt es das Angebot, eine regionale Bedürfnisanalyse durchzuführen, um die nächsten Regionalkonferenz noch gezielter vorbereiten zu können.

Inspiriert, motiviert und mit so einigen Ideen für die Mitmach-Konferenz, die wir Mitte August in Hannover veranstalten werden, fahre ich zurück nach Deutschland. Und ich nehme mir vor: Immer, wenn mich mal wieder die Zweifel einholen werden, erinnere ich mich an diesen beflügelnden und begeisternden Tag, an dem wir zu Klängen der Band Missis Sippi auf der Straße tanzten.

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Mitmach-Regionen – werden wir 100? 

Noch 12 Regionen fehlen, bis wir die 100 Mitmach-Regionen voll machen. Dich hat dieser Artikel inspiriert und in dir ruft es, auch bei dir vor Ort eine Mitmach-Region ins Leben zu rufen? Bis 20. Juni kannst du dich noch einfädeln.

Melde dich bei Stephanie Steyrer vom Mitmach-Regionsteam, wenn du mit dabei sein magst. Schau vorab auch auf der Karte, ob es in deiner Nähe bereits eine Mitmach-Region gibt.

 

Portraitfoto von Stephanie

Dieser Artikel wurde von Stephanie Ristig-Bresser verfasst.

Stephanie Ristig-Bresser ist Kulturwissenschaftlerin, PR-Managerin, freiberufliche Redakteurin sowie Autorin des Buchs „MAKE WORLD WONDER. Für die Welt, die wir uns wünschen.“ zu den globalen Nachhaltigkeitszielen.

Sie befasst sich mit Nachhaltigkeitskommunikation, Gemeinwohl-Ökonomie und ist in die Entwicklung des Projektes „REconomy“ der Transition Town-Bewegung involviert.

Stephanie ist schon viele Jahre freiberuflich für die Pioneers auf Change tätig, u.a. leitet sie den Kurs „Markt & Demokratie“ in Zusammenarbeit mit der Genossenschaft für Gemeinwohl.

Wir freuen uns über deine Gedanken und Impulse dazu – bitte hinterlasse sie unterhalb in einem Kommentar! Die Kommentare werden auch von vielen anderen gelesen, danke, wenn du dir Zeit nimmst.

Du willst mehr über die 100 Mitmach-Regionen erfahren? Oder willst du bei dir vor Ort eine Mitmach-Region ins Leben zu rufen? Bis 20. Juni kannst du dich noch bewerben.

Du interessierst dich für Co-Kreation, soziale Innovation, Kulturtransformation und Leitung nachhaltig wirksamer Teams? Dann mach mit bei unserem Jahrestraining. Die Bewerbung dafür ist jetzt möglich. (Komm gerne zum Info-Call am 15. Juni.)