
Macht-Voll werden
Drei Schritte in deine Wirk-Macht
Ja. Der Begriff Macht hat eine lange, schwierige Geschichte. Es wird von vielen verbunden mit „Macht über“, also Dominanz, Ausbeutung usw.
Wirkungsmacht bedeutet für mich im vollen Bewusstsein meiner Kräfte zu sein und sie einzusetzen. Und es ist eine Entscheidung, sie für das Leben einzusetzen und anderen auch Macht zuzugestehen.
Die Buch-Autorin, Rednerin und international tätige Organisationsexpertin Meg Wheatley unterstützt seit einigen Jahren Menschen dabei, in ihrem Umfeld „Warriors for the Human Spirit“ zu werden – Menschen, die fähig sind, auch unter sehr schwierigen Umständen wirksam zu sein.
Von der Arbeit mit ihr habe ich drei zentrale Schritte für meine eigene Wirksamkeit gelernt.
Schritt 1: Furchtlos und offenen Herzens hinschauen
Der erste Schritt ist vielleicht der schwierigste: die innere Stabilität entwickeln, wirklich hinzuschauen, was in der Welt los ist.
Meg Wheatley sagt, wir haben nur zwei „Waffen“ auf diesem Weg: Erkenntnis und Mitgefühl.
Was ist damit gemeint?
Erkenntnis – ein klarer, nüchterner Blick
Erkenntnis heißt, dass wir lernen, ohne unsere gelernten Filter hinzuschauen – also weder mit positiver noch mit negativer Verzerrung.
Meg meint, wir sollten uns insbesondere nicht von falscher Hoffnung blenden lassen. Provokant? Ja!
Mich hat diese Perspektive eher entspannt. Denn wenn wir uns engagieren, in der Hoffnung darauf, dass es „besser“ wird, dass unsere Arbeit ein bestimmtes gutes Ergebnis erzielt, setzt das unglaublich unter Druck. Und es schürt die Angst: was wird sein, wenn ich es nicht schaffe?! Dann sind wir mehr mit unserem Ego, unserer Sehnsucht nach Erfolg und unserer Angst vor Misserfolg beschäftigt als mit Wirksam-Sein.
Vielmehr geht es um Hoffnung im Sinn von Vaclav Havel:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“
Mitgefühl – in Resonanz mit der Welt sein
Erkenntnis ohne Mitgefühl ist jedoch kühl. Daher dürfen wir auch unser Herz öffnen und uns fühlend mit der Welt verbinden. In Resonanz gehen mit dem Leiden, der Not und Zerstörung. Erst dieses offene Herz schützt uns vor dem Zynismus und vor dem Nichtstun
Mitgefühl allein kann uns aber auch in verzweifelten Aktivismus stürzen.
Damit uns Mitgefühl nicht wegschwemmt, braucht es wiederum die Erkenntnis – den nüchternen Blick auf die Dinge … So schließt sich der Kreis.
Innere Stabilität durch Meditation
Um diese innere Stabilität zu entwickeln, hilft mir vor allem eines: Meditation. In der Meditation geht es also nicht um persönliches Wohlbefinden und Entspannung als Selbstzweck.
Meditation hilft mir, meine innere Beobachterin so sehr zu schulen, dass ich erkennend und mitfühlend in der Welt sein kann. Meditation ist kein Rückzug von der Welt, sondern ein Hilfsmittel, präsent und achtsam in der Welt zu wirken.
Oder wie es Bill O’Brien im Interview mit Otto Scharmer ausgedrückt hat:
Der Erfolg einer Intervention hängt von der inneren Verfassung des Intervenierenden ab (The success of an intervention depends on the interior condition of the intervenor.)
Mach es dir also nicht bequem in deiner „Blase“, sondern konfrontiere dich mit der Welt, wie sie ist – verankert in deiner inneren Stabilität.
Schritt 2: Deine Einfluss-Sphäre kennen
Wenn du weißt, was dich in der Welt berührt, schau wieder genau und nüchtern hin:
Was ist deine Einfluss-Sphäre?
Welche Fähigkeiten, Kapazitäten hast du, etwas beizutragen?
Ich habe an mir selbst gemerkt: es ist manchmal bequemer, die großen Lösungen herbeizudenken und andere dafür verantwortlich zu machen, sie zu realisieren. Die Politiker*innen, die Mächtigen, die …
Angst vor dem Scheitern?
Auf den ersten Blick ist es „unangenehmer“, im eigenen Umfeld anzufangen, weil … Ja! Da kommt oft gleich die Angst vor dem Scheitern. Dann gehe ich zurück zu Schritt 1 und frage mich: woher kommt die Angst? Ist sie wieder da, weil ich unbedingt erfolgreich sein will, weil ich von der Hoffnung getrieben bin? Oder von Selbstüberschätzung?
Auf den zweiten Blick ist es jedoch viel befriedigender, die Ressourcen dort einzusetzen, wo meine Einfluss-Sphäre ist: das kann in der unmittelbaren Nachbarschaft sein, in der Region, am Arbeitsplatz. Es kann aber auch in einer Online-Sphäre sein.
Also: schau, wo deine Einfluss-Sphäre liegt und welche Fähigkeiten und Kompetenzen du einbringen kannst.
Mehr findest du auch in unserem Blog-Beitrag zum Circle of Influence.
Schritt 3: Deine Verbündeten finden
Wenn du ausgelotet hast, wo du wirksam werden kannst und willst, finde deine Verbündeten. Denn klar ist: du hast nicht alle Fähigkeiten und Kompetenzen allein.
Niemand kann die Komplexität unserer Krisen-Situationen allein erfassen. Und niemand von uns kann die großen Herausforderungen allein lösen. Wir brauchen einander.
Und außerdem macht’s mit anderen viel mehr Freude …
Also finde heraus:
- Wen kümmert dieses Problem noch?
- Wer ist noch an diesem Thema dran?
- Mit wem kannst du dich zusammentun?
Denn erst im gemeinsamen Tun erkennen wir, was möglich ist (Meg Wheatley).
All das wird uns auch beim INSPIRAthon 2021 am kommenden Samstag beschäftigen, bei dem es um „Wirksam Wandel gestalten“ gehen wird.

Hemma Rüggen leitet derzeit das Online Training „Women Re.Member. Frauen führen für das Leben“. Sie ist seit 2017 im Team von Pioneers of Change.
Meg Wheatlys Erkenntnisse sind sehr inspirierend und mir nicht fremd, sie tragen viele aktive und spirituelle Menschen weltweit durch die Zeitaufgaben und lassen uns daran wachsen. Und sie lassen uns deutlich erkennen, dass das Was wichtig ist – aber mehr noch, das „Wie“. Die Achtung vor sich selbst, die Kenntnis und Stärkung der ureigensten Fähigkeiten und die Achtung vor den Anderen und ihren Fähigkeiten, ohne die wir in der Menschheitsfamilie nichts aber auch gar nichts sind, lassen uns vernetzen und immer weiter gehen. Danke für diese klärende Inspiration und Erinnerung.
Wunderschöne Worte, ein Mutmacher, inspirierend und eine „Anleitung“ tätig zu werden und keine Ausreden mehr zu finden. Dankeschön
Toll, dass Ihr dieses so wichtige Thema Macht aufgreift. Ja, es wird Zeit, die Macht, die wir irgendwann einmal aus Angst vor Machtmissbrauch abgegeben haben, wieder zu uns zurück zu holen.
Ich habe diese Woche eine Verfügung für die Neue Erde herausgegeben. Diese besagt, dass nur noch die Menschenrechte plus zwei auf dem Planeten Erde gelten. Plus zwei heisst, dass das Recht auf den freien Willen und das Recht auf körperliche Unversehrtheit hinzugefügt werden. Ich sehe das so schon lange für die Neue Erde.
Jetzt dürfen die Menschen dazukommen, die das auch so sehen… Ich freue mich auf die gemeinsame Kreation einer anderen Welt, die ich auch auf meiner anotherworld.site beschrieben habe.
Danke, Silvia, ich finde das wunderbar!
Liebe Hemma,das habe ich gerne gelesen.Und habe viel Zustimmung in mir.Ich höre und lese im Moment in verschiedenen Beiträgen,dass der Wunsch nach einer echten Verbindung groß ist,und empfinde,dass wir insgeheim wissen,dass in diesen Verbindungen und in diesem miteinander wirken,sich trauen dem Anderen ganz unverhüllt zu zeigen eine große Kraft steckt.
Wir sind gut geworden im Vernetzen und es ist an vielen Orten und im Internet ein großes Netzwerk entstanden das Mut macht.Allein wenn man sehen kann wie viele am Weg sind.
Mir fällt dieser letzte Punkt der wahren Verbundenheit,dieses sich berühren und berühren lassen oft schwer.Obwohl darin meine größte Sehnsucht steckt und ich darin eine große Kraft sehe.
Diesen Vorstellung,dass etwas von dem was man tut und was einen bewegt sichtbar werden soll loszulassen ist sicher gut.
Gruß Doro
Die Aktion, das Handeln selbst soll mir Freude bringen – das macht mich unabhängiger davon, was dabei heraus kommt!
Vielen Dank, Hemma❣️,
Danke für deine klaren Worte . Sie sprechen mich sehr an und finden Wiederhall in mir,
Herzlich, Barbara Bommers
Ganz vielen Dank, liebe Hemma, für das Teilen Deiner Lektionen!
Da erkenne ich mich gleich auch wieder: in den „falschen Hoffnungen“ und dem Getrieben-sein von dem Druck, es schaffen zu müssen und erfolgreich zu sein für den Wandel bzw. der Angst vor dem Scheitern, wenn ich meine großen Ziele nicht erreiche.
Ja, die Orientierung am Sinn entspannt mich gleich – danke! Und ich freue mich auf Verbündete, die sich zeigen auf meinem Weg 🙂
Liebe Hemma, ich danke Dir für diesen Blogbeitrag zum richtigen Zeitpunkt, der für meine innere Stabilität sehr unterstützend ist. Die Lösung (los-lösung) von alten Denkstrukturen und antrainierten Verhaltensweisen findet darin Unterstützung, sich bestätigt zu fühlen und nicht allein zu sein in dieser Art zu denken. Verbundenheit, Angebunden sein an die Gemeinschaft, mitfühlend und bereit den Wandel durch das eigene Tun zu unterstützen.
Liebe Grüße
Sonja
Liebe Hemma
Das macht Mut! Das genaue Hinschauen finde ich eine wunderbare tägliche Übung, wie schnell sind doch Bewertungen drin….wenn ich sie jedoch wahrnehme, kann es immer mehr zur neutralen Beobachtung kommen und die Verbindung zum Mitgefühl gefällt mir auch.
Gerne teile ich noch zwei Erfahrungen zum Verankern.
Ich habe durch die berührenden Pocket Projects-Zooms vom COP 26 erfahren, wie wohltuend und entspannend es ist, dorthin, wo ich taub bin oder gefroren in meinem Gefühl, in diese Ecken einfach Aufmerksamkeit zu senden, immer wieder, so liebevoll wie möglich, ich verändere nichts zu dem wie ichs gerne hätte oder wies sein sollte, sondern nehme es wies ist, jedoch mit dieser neuen Hinwendung.
Und was mich auch sehr unterstützt bei schwierigen Themen, ist die Themen zu tanzen und danach das getanzte zu zeichnen und aus mir raus zu schreiben….
Danke für Deine ermächtigenden Zeilen.
Herzgruss
Maria
Das ist ein wunderschöner Text mit tollen Tipps, vielen Dank!
Ich arbeite im Kindergarten. Das ist eine wundervolle Tätigkeit, denn ich kann sehr viel von den Kindern lernen. Am Anfang ihres Lebens tun Kinder genau das, was wir verlernt haben: Sie betrachten die Welt offen und neugierig und ohne zu bewerten. Die Bewertungen stülpen wir ihnen über, aber die Kinder, sobald sie sprechen können, fragen: Warum? Warum machst du das? Warum ist das richtig? Warum soll ich das machen? Sie möchten es ganz genau wissen und noch lieber selber ausprobieren. Das eigene Tun, das Tun an sich, das Experimentieren ist ihnen wichtig. Sie leben im Augenblick, das Ergebnis in der Zukunft interessiert sie weniger.
Ich denke, wir Erwachsenen sollten unsere Denkschubladen mal ausmisten und uns wenigstens ab und zu mal vorstellen, wir wären ein kleines Kind, vielleicht zwei oder drei Jahre alt, oder fünf. Wir würden die Welt ganz anders betrachten. Kinder lernen und arbeiten spielend. Wir würden neu entdecken, wie wir durch unsere Tätigkeit etwas entstehen lassen und hätten Freude daran (Pädagogischer Fachausdruck: Erfahren der Selbstwirksamkeit) Was ist das anderes als das gute Gefühl von Macht?